Very British

Wer mich kennt, weiß um meine große Schwäche für Britisches und die Engländer, sowie für Englisches und die Briten.

Deswegen, aus ganz freien Stücken: Very British? Englische Malerei von Hogarth bis Turner. (M)Ein Proseminar in diesem, letzten Sommersemester.

(M)Ein Referat:

William Hogarth: Kritischer Blick auf Kunst & Gesellschaft

Marriage à la mode, IV, The Toilette 

A) Eine illustre Gesellschaft, die im Privatgemach der jungen Gräfin Kakao trinkt und musikalischer Untermalung lauscht.

1.) (Bild)Daten und Fakten:

  • Entstanden, um 1743
  • Viertes Bild von sechs Bildern eines gleichnamigen Bilderzyklus
  • Öl auf Leinwand
  • Rechteckiges Bild im Querformat
  • 69,9 cm x 90,8 cm
  • Standort: National Gallery, London

2.) Bildaufbau

  • Bild zielt / zieht (sich) optisch in die Ecke eines Wohnraumes
  • Diese Ecke befindet sich in der linken Bildhälfte, links der Mitte
  • Die Lichtquelle für den Raum befindet sich – außerhalb – von links vorne kommend
  • Der Betrachter blickt von leicht oben auf eine Gesellschaft 
  • Diese füllt die gesamte Breite der unteren Bildhälfte in der Bildmitte bis, links und rechts außen: den Bildvordergrund
  • Die obere Bildhälfte wird von Gemälden alter Meister, vorwiegend im Querformat; sowie dem Himmel des überdachten Bettes der Gräfin dominiert
  • Das Gemälde wird mittels zweier Personengruppen in der Vertikalen, mittig geteilt (7 Personen links / 4 Personen rechts)

B) Eine auffallende Fülle von Details findet sich bei der Kostümierung der Personen, Einrichtungsgegenstände sowie Schriftstücke.

  • Im Bild befinden sich elf Personen: zwei Frauen, ein Kind und acht Männer
  • Der Blick fällt zuerst auf die Frauen, da:
  • Zentral platziert
  • Ausladende Garderobe in hell-strahlenden Farben
  • Dame links: sehr ausladende Gestik
  • In der linker Bildhälfte ist der Blickfang der Kastrat, da:
  • Im Bildvordergrund, enorme Größe, sowie: fixierter Blickpunkt der Dame im weißen Kleid.
  • Weitere Personen im Bild: Querflötespieler, Homosexueller Mann, Diener, Friseur, Jurist, zwei weitere Männer und ein Kind.

C) Das Gemälde erzählt eine Geschichte. William Hogarth war bekannt für seine narrative Malerei.

Hogarth William

*1697 in London, bis 1764 ebenda.

  • neben Reynolds und Gainsborough, bedeutendster Maler Englands im 18. Jahrhundert.
  • Vorerst: Gebrauchsgraphiker und Illustrator
  • Später bekannt für zahlreiche gemalte Satiren

Die Geschichte seines Gemäldezyklus Marriage à la mode, handelt von einer arrangierten Ehe: Ein Mädchen der Bourgeoisie und junger Mann von Adel werden durch ihre Väter verheiratet. 

Der Zyklus zeigt Szenen einer Ehe.

In The Toilette ist die junge Frau bereits verheiratet und gerade Gräfin geworden.

Die Indizien hierfür: die Kronen über Schminkspiegel und dem baldachinüberzogenen Prunkbett.

Sie ist nun auch Mutter, worauf das über ihre Stuhllehne gehängte Tuch mit dem Anhänger verweist: Dieser wurde im 18. Jahrhundert von zahnenden Kleinkindern benutzt.

Die Einladungskarten, mit denen zu dem Beisammensein geladen wurde, befinden sich am linken, unteren Bildrand.

Dass die Gemeinschaft sich hierzu im gräfischen Schlafgemach trifft, ist nach dem Vorbild des Ancien Régime, wo selbst die privatesten aller Verrichtungen zeremonielle Gültigkeit hatten.

Hinter der Gräfin steht ihr Friseur, der ihr mittels einer heißen Zange aus Metall Locken ins Haar dreht.

Die zweite Dame im Bild wurde als real existierende Persönlichkeit erkannt: Es handelt sich um Mrs. Fox Lane, die im 18. Jahrhundert Sängerin war und in England zahlreiche Hauskonzerte gab.

Ein Diener reicht ihr von hinten eine Tasse heißen Kakao, der als das Getränk der Upper Class im 18. Jahrhundert galt, doch sie ist abgelenkt:

Euphorisch lauscht sie dem Sänger im linken Bildvordergrund.

Bei diesem soll es sich, aufgrund der beringten Finger, den Ohrringen und der exzentrisch frisierten Perücke, um den italienischen Opernsänger Senesino oder Farinelli handeln.

Der Gesang wird untermalt vom – als Deutschen Karl-Friedrich Weidemann identifizierten – Querflötespieler schräg dahinter.

Neben dem Opernsänger sitzt ein, von Hogarth vermutlich als schwuler Mann gemeinter Schönling mit Lockenwicklern im Haar, der in mancher Quelle allerdings auch für den Ehemann der Gräfin (also für nicht schwul) gehalten wird. Geziert (Mimik, und abgespreizter kleiner Finger der Hand, der die Tasse hält) nippt er an seinem Getränk. Den Blickfang auf seiner Jacke stellen die geschwungenen Tressen dar.

Dahinter befinden sich zwei weitere Männer, wovon der Schlafende als Ehemann der Mrs. Fox Lane bestimmt wird. (Die Reitgerte würde ihn hierbei als den Landsmann auszeichnen, der er tatsächlich war.)

In der rechten Bildhälfte scheint dem Friseur an einem Kommunikationsaufbau mit der Gräfin gelegen zu sein, da er erkennbar spricht. Diese jedoch hat allein Augen für den Herren, der sich vor ihr auf dem Sofa entspannt und überraschend heimelig gibt: Die Schuhe ausgezogen, die Füße auf das Sofa hochgezogen, gibt er sich in dieser halbaufrechten Haltung direkt vor der Gräfin. 

So befindet er sich in Dialog und Austausch mit ihr, ausholend gestikulierend.

Die Robe die er trägt, entlarvt ihn als Juristen.

Und zu seinen Füßen liegt ein Roman des Crébillon: Ein französischer Autor, der im 18. Jahrhundert für seine schlüpfrigen Themen innerhalb der Literatur bekannt war.

Erkennbar also der Liebhaber – oder mindestens angehende Liebhaber der jungen Gräfin.

Vor den beiden spielt ein kleiner schwarzer Junge mit Antiquarem aus einem geflochtenen Weidenkorb. Dabei hält er – schelmisch grinsend – den Aktäon hoch; hier ein Symbol für den gehörnten Ehemann. Was dadurch unterstrichen wird, dass er mit dem Zeigefinger auch noch auf die Hörner der Figur deutet. 

In einer verlängerten Linie, zeigt sein ausgestreckter Finger zusätzlich auf den Friseur, und schließt so den Kreis, um die als Vierergruppe interagierende, in rechter Bildhälfte. (Wo die Personengruppe in der linken Bildhälfte durch die dominantesten beiden Figuren hier – Dame und Opernsänger – umschlossen wird. 

Die Bilder an der Wand stellen eine Kunstsoziologie dar. 

So deutet Der Raub des Ganymed auf den künstlich verlängerten Zustand der Jugend des – im 18. Jahrhundert – kastrierten, italienischen Sänger genauso hin, wie auf gleichgeschlechtliche Liebe des Schwulen daneben.

In der rechten Bildhälfte verweisen Lot und seine Töchter und Jupiter und Io, auf die erotisch aufgeladene Szene unter ihnen: Auf die Gräfin und ihren Liebhaber.

Abgerundet wird dies noch durch den – sich ebenfalls im Weidenkorb befindenden – Fayence-Teller, der Leda und der Schwan abbildet.

D) Nice to know 

Die Engländer galten für Jahrhunderte fasziniert von den kriminellen und sexuellen Ausschweifungen ihrer Upper Class. Diese wurde gerne auch “Playboy-Aristokratie“ genannt. Deswegen kamen Bilder wie diese(s) generell sehr gut an.

Der gesamte Bilderzyklus Marriage à la mode, war sofort in ganz England und im Ausland berühmt.

Kritik gab es diesbezüglich, da Hogarth als ein Mann mit sehr hohen Moralvorstellungen bekannt war. So galt er als jemand, der beispielsweise irrationale Verschwendung und Luxus verurteilte.

Dieser Bilderzyklus sollte die Geschmacklosigkeiten der englichen Upper Class herausstellen.

Dass Hogarth diesen Gemälden französische Titel gab, unterstreicht seine Sicht – und damit seine Kritik – die reichen Engländer würden sich wie der ungeliebte Französische Hof aufführen. 

Marriage à la mode – The Marriage Settlement
Marriage à la mode – The Tête à Tête
Marriage à la mode – The Inspection
Marriage à la mode – The Toilette
Marriage à la mode – The Bagnio
Marriage à la mode – The Lady’s Death

Ich liebe Storytelling! Auch und gerade in der Kunst.

Bin gespannt auf noch einige spannende Referate meiner Kommilitonen/Innen; von Joshua Reynolds bis William Turner jetzt ..

Und wie wunderbar es klingen kann, wenn die Briten über die deutsche Kunst & Künstler sprechen:

https://www.youtube.com/watch?v=fT_sIRIrn0g

Literatur zum Referat:

Ausst. Kat. William Hogarth 1697—164; Eine Ausstellung der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst e.V. in der Staatlichen Kunsthalle Berlin. Gießen: 1980.
Ausst. Kat. Hogarth und seine deutschen Bewunderer, Altes Museum, Berlin. Ausst. Kat. Hogarth und seine deutschen Bewunderer, Altes Museum, Berlin: 1999.
COWLEY Robert L. S. Marriage a-la-Mode a re-view of Hogarth’s narrative art. Manchester University Press. Manchester: 1983.
EGERTON, Judy: Hogarth’s Marriage A-la-Mode. National Gallery Publication. London 1997. Judy: Hogarth’s Marriage A-la-Mode. National Gallery Publication. London: 1997.
PEVSNER, Nikolaus: Das Englische in der englischen Kunst. München: 1974.
SCHIVELBUSCH, Wolfgang: Das Paradies, der Geschmack und die Vernunft. Eine Geschichte der Genussmittel. Frankfurt: 1990.
VAUGHAN, William: British Painting. The Golden Age from Hogarth to Turner. London: 1999.
WATERHOUSE, Ellis Kirkham: Painting in Britain 1530 bis 1790. New Haven/London: 1994.

Veröffentlicht von

PetissaPan

PetissaPan studiert interessiert & neugierig das Leben, und schafft nebenher, leidenschaftlich und fleissig Kreativität, Text & Mode. Sie geht mit offenen Augen & Sinnen durch die Welt, und saugt Inspirierendes & Bereicherndes auf. PetissaPan ist und kreiert leicht, weich, romantisch, verspielt und wunderbar verträumt. Is your world little to mainstream? PetissaPan created an own.

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