„Straight to heaven“, so hieß der Duft den er trug. Einen Hauch süß und wohlfühlend, fast vertraut, sich anlehnend, dann wohlig wärmend.
Aber auch dunkel wie Zedernholz, unberechenbar, merkwürdig schweigsam irgendwie. Und dabei scharf wie Wodka.
Er war tief, männlich, dominant, und zum Greifen hier und nah. Letzten Endes aber blieb er fern. Er war wie in Flakons abgefüllte Melancholie.
Du schließt die Augen und siehst dich in dieser Bar von damals. Einer Bar in einem großen Saal, mit einem opulenten, mit farblosem Kristallglas behangenen Kronleuchter, der ein schummriges Licht nur über alles und jeden wirft.
Crème de la Crème.
Du siehst die antiken Möbel im Jugendstil. Die naturbelassenen Ledersessel, weich, fast flauschig, in einem warmen Braunton, und die lange Couch, welche sich an der Wand gegenüber der Fenster, über die gesamte Länge des mondänen Raumes erstreckt.
Wenige luxuriöse Stühle aus geschwungenem Holz mit goldfarbigen Bezügen. Kleinere hochelegante Tische im strengeren Art déco davor, die kontrastreich in Form und Farbgebung sind und zwei Jahrzehnte weniger alt.
Beeindruckende Vorhänge rahmen die raumhohen bodentiefen Fenster. Sie fallen schwer in einem satten dunklen Grün aus Samt und seidigem Brokat auf den KirschbaumBoden, den sie bisweilen sanft streicheln.
Eine Spur Tabak liegt in der Luft, und Musik, die genau hier in diesen Raum gehört, die du nicht kennst und nie mehr wieder hören wirst.
Und da steht er. Mittig im Saal.
Man nimmt ihn einfach wahr, beachtet ihn gewollt wie bewusst.
Er trägt einen klassischen Anzug, der wie angegossen an seinen schlanken jung trainierten Körper passt. Besonders edler Stoff, das erkennt man sehr gut. Vermutlich nachtblau von der Farbe her, vielleicht aber auch schwarz. Ein Frack würde genauso gut passen. In diesen Saal. Für ihn.
Er mag an die 55 Jahre alt sein. Trägt beinahe gänzlich ergrautes längeres dichtes Haar, welches er akkurat aus dem Gesicht gekämmt hat und das ihm, attraktiv gewellt, im Nacken bis fast an den Hemdkragen reicht.
Er steht erhaben, ist knapp 1,80 Meter groß, und seine ganze Haltung und Gestik: aristokratisch, selbstsicher, Mann von Welt.
Sein Gesicht zeigt, dass er gelebt hat. Reif, intensiv, so reich an Erfahrung.
Seine Augen signalisieren, dass sie beinahe alles gesehen haben. Der Blick, was erlebt.
Seine Hände erzählen die Geschichte viel berührt zu haben.
Er bläst den Rauch seiner Zigarre, die er in der linken Hand hält, aus. Dabei hebt er den Kopf und seine Augen sind genießerisch geschlossen.
In der anderen Hand hält er ein schweres Glas mit honigfarbenem Rum, der sich darin, weich und ölig, nur langsam bewegt.
Seine Aura fasziniert, erreicht, berührt auf seltsam nahe Art und läßt dich nicht los.
Du verweilst ihn anzusehen. Man spürt seine Leidenschaft und Erotik, und du meinst du riechst dabei, ganz leicht bereits seinen Duft.
Sein Blick hat dich noch nicht erfasst. Sein Kopf, weit weg, in eigenen Gedanken ruhend. Er kostet es aus hier zu sein. Inmitten der anderen Gäste, dabei aber allein für sich. Und er weiß sehr wohl darum, interessiert beobachtet zu werden.
Du siehst. Mit Freude. Neugier. Verlangend. Du riechst.
Das ist der Mann, das ist der Duft.
Wie oft hatte sie ihre Nase später an seinen Hals gedrückt, tief einatmend, seinen Geruch aussaugend, ihn aufnehmend. So verweilte sie dann Sekunden nur, oder auch minutenlang.
Dass irgendetwas anderes existiert, wenn die Kunst da ist, scheint zumindest ein ebenso häufig gedachter Gedanke zu sein, wie die Annahme dass jeder Künstler alternativ ist, materialistisch uninteressiert und politisch dem linken Spektrum zuzuordnen. Sanft, autark und kopfstark schließen sich nicht aus. Im Gegenteil. (PP)
Freiburg. Von Herzen mag ich diese Stadt. Aber lieben tue ich an ihr besonders die Nähe zu Baden-Baden.
Als wenn du durch einen Schleier hindurch blicken würdest. Schummriger Nebel. Auf die ganze Welt, alles und jeden. Und was immer du siehst, was immer du hörst, leicht, beinahe durchsichtig.
Zartester Stoff, der deine Seele zu streicheln vermag; Viel mehr noch: die aller anderen schönt.
Zaubert sie aus starkem Sonnengelb feines Zitroniges, und aus harschem Grün malt sie den Frühling für dich. Das ganze Jahr über Glückseligkeit in jedem Moment, wie als ob auf nachgiebig saftigem Moos gehend, Hand in Hand, verliebt, und Tautropfen im Haar über blauen Augen.
Elfengleiche du, Vergissmeinnicht, und marzipanweiße Wolken über dir am Firmament.
Völlig in eigener Welt. Leicht und gesegnet mit dem überhaupt größten Geschenk, Glückskind. Einem Denken, einem Tun, einem Leben. Verträumtes Märchen, sorgloses Mädchen, wie aus Tausendundeinernacht. Faszinierend fremd, denn du trägst Magie.
Das Beste sehen, fördernd, antreibend. Erkennend, da gelebte Träume überwiegen. Und Grellrotes wird zu Erdbeeren, die püriert, mit locker aufgeschlagener Sahne vermischt, ein cremiges Pastell kreieren, und paradiesisch sind, in ihrem Geschmack.
Das grobe Meer, nasse Masse, tosend zischend und unberechenbar, wogt hellblau friedlich zeitverzögert mit ihr, in dir.
Besänftigt und wie schwer gegossen. Ruhend. Viel zu oft vergangene Muse aus Kindheitstagen. Erstrebenswerte Unbefangenheit und entrückter Zauber in deinem Blick. Dir nah, vertraut, dein größter Schatz. Arglos und dein Zauberstab für Glitzer überall.
Die rosarote Brille, jede Stunde, jeden Tag.
Fruchtige Süße.
Geliebte.
Gelebt, wenn ich Beobachter sein kann und mag, nicht Teilnehmer. Dann nämlich ist nichts wundervoller als du. Als dich in meinem Kopf, meinem Herzen, und auf Händen zu tragen.
Ich habe alles ausprobiert, alles gemacht, und alles gehabt. Und heute bin ich ein eiskalter Stern. (Paul Klee)
Der Unterschied, ob andere einen als arrogant oder selbstzufrieden wahrnehmen, liegt viel mehr darin, wie anderer einen wahrnehmen will, als dass ich bei Letzterem etwas sanfter die eigene Grenze ziehe. (PP)
Eine riesige Spielwiese, auf der man mit ihnen lachen und vergnügt sein kann. Auf blümelige Direktheit, kecke Freche, unbefangene offenherzige Nettigkeit und äußerst rare Loyalität gebettet, stößt. Bildschöne Naivität!
Weicher Fall in offene gebende Arme. Hand und Herz. Frei verbunden mit ihnen, wie durch beinahe unsichtbare Pastellbänder in den hübschesten Farben des Frühlings, Sommers, Herbstes. Glöckchenklare Winter, in der sie eine warme Sonne, wie aus einer anderen Welt, für dich strahlen.
Aber sonst nur höflich distanziert.
Sanfte Gesten, scheuer Blick, und zu anfangs ebenfalls, diese zaghaft filigranen Schritte. Tastend. Gespielt forsch vielleicht auch. Nicht ausbalanciert. Toll gepatscht! Im Inneren jedoch elfengleich im Feenreich, da so verwundbar und weltfremd. Und wer das nicht erkennt, mag sie bereits dann schon wieder unwiderruflich verloren haben.
Reich ihr die Hand! Und nur diese. Butterweich. Festhalten, nie ohne Fingerspitzengefühl. Und einen Weg den du zu früh gehst, wirst du niemals mehr wieder ungeschehen machen und umkehren können, denn sie hassen Distanzlosigkeit, können Lügen kaum lesen und Subtilität nicht verstehen.
Gut möglich etwas hart beschalt, durch die blutigen Nasen, die sie sich an gesprochenen Unwahrheiten anderer zu oft geholt haben. Auf Worte blind hören müssend, Taten nicht sehen und werten könnend. Vertrauen muss, mehrmals schmerzlich so gelernt, sich künftig in ausreichend Zeit und Geduld verdient werden .. Doch währt dann und so manches Mal – in reiner Dankbarkeit – nicht kürzer als ein ganzes Menschenleben lang.
Freundschaft toppt fast immer Liebe.
„Kind im Herzen du, welches du da schillernde Selbstdarsteller liebst, und reiche Leben anderer, Freude, Glück und Sorglosigkeit einem jeden gönnst. Und stets genau jenem und diesem optimistisch nacheiferst, ohne auch nur eine Spur von Neid. Auch Eifersucht kennst du nicht. Stattdessen im eigenen Farbkasten munter mischend, testend, malend. Aktiv. Ruhig für dich und quirlig im Außen.
Weil dir der Mut bislang fehlte? Einschüchternde Gesellschaft? Ungeerdet?
Du bist jedenfalls niemals die Art von Mädchen und Frau gewesen, die fast jeder in dir sehen wollte, sollte.“
If life’s unjust, I’m struggling, feeling tweaked or bored, grab my dog & car and go out into the blue. Into the night blue to be exact.
In my pink cashmere jacket dressed and the hand brake from my light blue Bentley released. Twenty years, high-class & captivatingly beautiful. Classy elegant as I like and want it.
On orange leather on the passenger seat next to me, Randy Andy, my silver-coloured greyhound sits full of charm & grace. She’s a lady and a diva, at the same time fragile small & exquisite fine, too. Randy Andy is wearing a velvet necklace with blue sapphires – more worth than the dearly loved pooch. The noble pointed nose arrogantly sticked up in the air. Randy Andy! I have to grin. Divine! Her slender lop ears – as if joyfully anticipating – swaying in the barely perceptible breeze as I open the windows halfway, taken the hot ride in the noble car. Our last trip is weeks ago.
Leading this luxurious sophisticated Briton, deeply & majestically humming through the sleepy streets of our city now – slowly, carefully, can hardly hold it back. We want to get out. Give us a ride! The 400 hp nervously twitching under our butts at every red light. Pure anticipation. Randy Andy yelps spontaneously when we leave behind the last houses. Highway: here we are!
I close the windows and step on the gas. Supersonic and beyond us navy blue sky: blue moon – blue mood. And the scent of noble leather and the freshly perfumed dog-girl fill my nose. My lovely girl smells of roses: sultry, deep red and full. The crazy sound of the sporty Mister B. takes me out of my thoughts and inspires my spoiled ears. That’s the way we three fly through the night and the streets belong to us. I feel hot and the smile won´t disappear from my face. My dog in trance.
Two hours later the delicate Beauty dozes on my pink wool jacket which bites the rich orange colour of the leather seats. Shhh, be quiet don’t fight and let the little One sleep! Throttled the powerful engine and driving the exquisite Briton carefully the last meters. Anybody seen my baby? No-Nobody’s aware of us! Parking at my home – until the next night – the next ride – in weeks – months. Take my softly snoring girl gently into my arms.
Wonderful night! Troubles forgotten. Who needs trouble when (s)he’s got such an amazing Englishman? Randy Andy nods in her sleep.
Wenn das Leben ungerecht zu mir ist, mich stresst, es zwickt oder zu langweilen versucht, schnappe ich mir Hund und Auto und fahre raus ins Blaue. Ins Nachtblaue, um genau zu sein. Sternenklar am liebsten – nicht sternhagelvoll.
Mein rosafarbenes Strickjäckchen angezogen – die Handbremse von meinem hellblauen Bentley gelöst. Er ist 20, luxusklassig und bestechend wunderschön. Klassisch-elegant, wie ich es mag.
Auf orangefarbenem Leder, auf dem Beifahrersitz neben mir thront voller Anmut „Randy Andy“, mein silberfarbener Windhund. Sie ist eine Dame und ganz Diva, dabei zerbrechlich zierlich, klein und fein. Randy Andy trägt ein schmales Samthalsband mit tiefblauen Saphiren. – Mehr wert als der ganze lieb verehrte Edel-Köter. Die vornehme spitze Nase reckt sie arrogant in die Höh. Ich muss grinsen. Göttlich!
Ihre schlanken langen Schlappohren schlackern wie freudig erwartend im kaum vernehmbaren Fahrtwind, als ich, die Fenster zur Hälfte geöffnet, die heisse Fahrt im noblen Wagen aufnehme. Unser letzter Ausflug ist Wochen her.
Luxuriös, mondän und gebremst zurückgehalten grummelt mein bestes Stück tief und majestätisch durch die schlafenden Straßen der Stadt. Langsam. Achtsam. Ich kann ihn kaum halten. Wir wollen raus. Uns austoben. Und die rund 400 PS zucken an jeder roten Ampel nervös unter unseren Hintern. Pure Vorfreude. Und Randy Andy juchzt und jault vor Freude spontan auf, als wir die letzten Häuser der Stadt hinter uns lassen. Autobahn, linke Spur: hier sind wir!
Ich schliesse die Fenster und gebe Gas. SupersonicStatus, über uns das marineblaue Firmament. Blue moon – blue mood. Und der Geruch von edlem Leder und frisch gebadetem Hundemädchen erfüllen meine Nase. Sie riecht nach Rosen. Schwülstig, tiefrot und satt. Der irre Sound des sportiven Engländers reißt mich aus meinen Gedanken und begeistert meine verwöhnten Ohren. Wir brettern durch die Nacht. Die Straßen gehören uns. Einmal Flensburg – Weil am Rhein? Einmal Düsseldorf und schnell zurück? Mir ist warm. Und das Dauerlächeln verschwindet nicht von meinem wachen Gesicht. Der Hund im Trance.
Zwei Stunden später döst die zarte Schönheit auf meinem rosé Strickjäckchen, welches sich mit dem satten Orange des Leders streitwillig beißt. Gebt Ruhe ihr beiden! Laßt die Kleine schlafen! Ich habe den starken Motor gedrosselt und fahre den erlesenen Briten vorsichtig durch die letzten Kilometer. Sieht uns wer? Wir sind anonym! Gekonnt parke ich ihn ein – bis zur nächsten Nacht – in Wochen – Monaten – und nehme mein leise schnarchendes Mädchen sanft auf den Arm.
Zauberhafte Nacht! Vergessen ist der Ärger. Wer braucht den schon, wenn er einen solch geschmeidigen Engländer hat? Randy Andy nickt im Schlaf.
Das Leben ist Gegensatz Sichtbar machen, was fade sonst verblasst Wie Farbe im Kontrast Springt und saftig pulsiert
Ich möcht‘ so gern In einem leeren Zimmer wohnen und sein Und jeden Cent von Geld für Reisen, gehen Und die Welt
Nie aufhör’n zu lernen Nichts jedoch je wissen Mit wachem Geist auf junge Beinen Kindisch staunen Talent und Kompetenz können vereinen
Umgeben sein Von Ruhe der Natur Von nichts und allen Vom Puls der Stadt Weinend aufstehen wie lachend fallen
Unsinnig und verspielt leicht immer wenn irre schwer Beenden wenn der Himmel das schönste Wetter hisst Mögen, egal was auch ist Und loslassen was war und wär‘
What’s meant to be will always find a way.
Ich möcht‘ frei sein mich zu binden Unerwartet gehen Überraschend kommen – liebkost Dreckig und sauber sein Und nicht ganz bei Trost
Ich möcht‘ geliebt werden Wenn ich es am wenigsten verdiene Weil ich es dann am meisten brauche
Gehen können Sobald alles gesagt ist Doch alle Fragen offen bleiben
Ich liebe oder bin auf’s Gehen erpicht Weil sanfte Veränderung in einem gleichbleibenden Umfeld, selten den großen Gegensatz, extrem schönen Kontrast und himmlischen Genuss verspricht. Wie oft nur ein unausgeschlafener Kompromiss ist.
Unberechenbar Und auf mich zählen kann Weil das Leben von Gegensätzen lebt Manches immer, anderes dann und wann.
Ach Max (Frisch), wie gerne hätte ich dich gekannt!
Einen Abend, oder auch Nachmittag „nur“, Ovomaltine mit dir getrunken und gedankenverloren Emmentaler Käse auf Holzspießen vernascht, während ich dir andächtig gelauscht und wir zusammen verboten laut gelacht hätten.
Auch deine Zigarren, und deswegen im nebligen Qualm sitzend, hätte ich dir verziehen. Der Richtige kann eben nichts falsch machen, und ich glaube du warst ein richtig cooler Hund und nett dazu.
Schade Schweizer Schokolade!
Und so träume ich heute von einem platonischen Rendezvous mit Sir Richard Branson. Einfach so. Um schauen zu können, was dran ist am Bub (In wenigen Tagen 68 Jahre jung): Am ewigen, sich selbst so ernannten Kindskopf, am, von Peter Pan inspirierten, Optimisten.
Wann habt ihr zuletzt Peter Pan gelesen?
Überhaupt schon einmal?
Kindliche Freuden, Ideen, Hirngespinste: Schönste Alltagsflucht und bereicherndes Kindliches Ich.
Auf die Liebe und die Lust einer Frau gegenüber geht Frisch in seinem Roman „Homo Faber“ ein. Faber ist ein menschenscheuer Technikrat, der sich auf einer Reise in eine junge Frau verliebt. Bis dahin nichts Ungewöhnliches soweit .. Unglücklicherweise aber entpuppt sich das schöne Objekt seiner Begierde, zu spät und erst nach etlichen gemeinsam durchlebten Tagen, findenden Gesprächen, leichtem Lachen, grundendem Tiefsinn und harmlosen wie tragenden Nächten, als die eigene Tochter.
„Ich hielt sie am Arm, die junge Person, die meine Tochter hätte sein können.“
(Max Frisch; Homo Faber)
Tja, und so kam’s dann, dass diese sich tatsächlich als die solche herausstellte.
Immerhin findet in all der Tragik die zerrissene Kleinfamilie noch ein letztes Mal zusammen, söhnt sich aus, zergeht.
Zum auf der Zunge zergehen lassen, empfehle ich übrigens eher ein Stück Schweizer Schoki als dieses Buch, da Frisch gewohnt in Prosa über die Papierseiten galoppiert. Wenig ausschmückend. Technokratisch.
Dass wir einen Menschen als Menschen oder ihn als Mann oder Frau lieben können war und ist soweit klar. Stets unsicher darüber allerdings, was nun tatsächlich mehr von Wert und Bedeutung ist.
Vielleicht ist die Hauptsache einfach die, offen für Wunder zu sein: menschlicher und liebender Art?
Wie ein Diplomaten-Kind bin ich an regelmäßige Umzüge, Städtewechsel oder mindestens lange Abwesenheiten gewöhnt und brauche diese auch. In Düsseldorf bin ich mit zwei Jahren schon zu lange. Auch weil diese Stadt mein Herz und meine Bedürfnisse nicht zu berühren versteht. So, wie es Städte wie beispielsweise Baden-Baden und Paris ❤ mit spielerischer Leichtigkeit können. In einem Jahr bin ich hier weg. Zur schönen Erinnerung ❤ die ich dann mitnehmen werde, gehört auch der Blick von meinem Balkon in den attraktiven Hinterhofgarten an dem ich wohne. Merci dafür! ❤ Glück bedeutet eben auch, in Negativem stets etwas Positives sehen zu können.
Oh Düsseldorf, die Zeit zog sich mit und in dir, wie zähes Kaugummi. Danke für deine Lehren! Du wirst mich vermutlich nicht wieder sehen.
Neuer Job, neue Stadt, neues Leben – das klingt erst einmal total aufregenden. Was aber, wenn wir uns bereits kurze Zeit nach unserer Ankunft nach dem Tag sehnen, an dem wir dieser Stadt wieder den Rücken kehren dürfen? So eine Zeit kann uns sicher reifen lassen und der Selbstfindung dienen: Wie gehen wir damit um, dass wir plötzlich ganz alleine sind? Wie gut können wir uns auf etwas einlassen, dass uns nicht glücklich macht? Und vor allem, welche positiven Aspekte können wir aus so einer Situation ziehen?
Die Liebe meines Lebens: Baden-Baden
Ich möchte mit meinem Beitrag gerne zu einer Diskussion anregen. Nicht jede Stadt berührt unser Herz. Wie also gehen wir damit am besten um, wenn wir aus rein vernünftigen Gründen erstmal an eine Stadt gebunden sind, die Tausende andere mögen, die sich aber niemals richtig für uns selbst anfühlt?
Ein Neuanfang?
Beruflich bedingt bin ich bereits mehr als zehn Mal umgezogen – privat viel gereist – und weiß und fühle darum schnell und bestimmt, was ich brauche, um mich in einer Großstadt, einer Kleinstadt, in Deutschland oder auch im Ausland glücklich und verbunden mit einem Platz zu fühlen. Und diese Stadt hier, in der ich gerade lebe, hat das einfach nicht – zumindest nicht für mich.
Beinahe alles zwickt, es klemmt, ich seufze und trotzdem ziehe ich hier seit gefühlten zehn Jahren dauerlächelnd durch Straßen, Geschäfte, Büros. Diese Stadt und deren Menschen können schließlich nichts dafür, dass sie so grottenfalsch für mich sind. Obwohl ich zwei Hände voll wirklich liebgewonnener Menschen, schöne Erlebnisse und Dinge, die ich hier in den vergangenen eineinhalb Jahren kennenlernen durfte, mit dieser Stadt verbinde, fühlen sich diese 18 Monate wie Jahre an.
Lernen, was man will – und was nicht
Trotzdem ist diese Erfahrung sehr wichtig: Ich kann hier beispielsweise immer sicherer definieren, was ich eben nicht will. Das ist wichtig für meine persönliche Entwicklung. Ich empfinde das tatsächlich als Geschenk, das meine ich ernst. Es gibt das schlaue Zitat:
„I am thankful for all those difficult people in my life. They have shown me exactly who I do not want to be.”
Und so geht’s mir hier. In einer Stadt, die mir mehrmals täglich – und das überdeutlich – zeigt, dass sie es für mich eben so gar nicht ist und dass ich wo ganz anders hingehöre. Ich bin aus Baden und bekanntlich „von der Sonne verwöhnt” wie ein Werbeslogan über den dortigen Wein verkündet. Früher mochte ich Regen tatsächlich sehr gern. Für mich gab es beispielsweise nicht schöneres als bei Regen zu joggen und danach heiß zu duschen. Hier aber kann ich es nicht ertragen, Regen auch nur in der Wettervorhersage zu sehen, geschweige denn ihn auf meiner Haut zu fühlen und überhaupt zu riechen. Regen riecht ganz unterschiedlich in Baden, Paris und Buxtehude.
Kein Liebeslied
Nein, das hier ist wahrlich keine Liebeserklärung für diese wirtschaftsträchtige Stadt im Rheinland. Die überlasse ich anderen. In der gefühlt richtigen Stadt zu wohnen, ist nämlich wie die Sache mit dem „richtigen” Partner: Der richtige Partner kann nichts falsch machen und der falsche nichts richtig. Manche mögen nunmal Erdbeereiscreme lieber als Schokolade, ziehen Pasta, Pommes vor oder trinken lieber Selters als Sekt. Es ist wie Äpfel mit Birnen zu vergleichen.
Wir sind verschieden und meine Meinung über diese Stadt ist aus diesem Grund völlig subjektiv und allein mein Empfinden. Für jemand anderen gibt es eine andere Stadt, ein Dorf, über das er vielleicht kaum Positives zu berichten hat. Für jemand anderen mag es auch völlig unverständlich sein, wie sehr ich ein, zwei Städte in Baden so liebe. Es geht hier allein um das Gefühl, in irgendeiner Stadt oder an einem x-beliebigen Ort sein zu „müssen”, an dem wir nicht gerne sind.
Hier gehöre ich nicht hin
Das Gefühl am falschen Ort zu sein, kennen sicher einige von uns. Und dieses Gefühl läßt sich auch nicht von anderen ausreden, diese Stadt sich einem nicht schön reden. Am falschen Ort zu wohnen ist auch ein bißchen so, wie in einer schlechten Beziehung festzustecken: Wir kennen den anderen, wissen ganz genau, dass es nicht (mehr) passt, aber bleiben dennoch, aus eher nüchternen Gründen. Da hilft auch kein „Aber ihr passt doch so toll zusammen!” von Bekannten. Wir fühlen was sein soll und was nicht und früher oder später gehen wir.
Immerhin spielen wir bei einem „am falschen Fleck sein und dennoch bleiben” nicht mit irgendwelchen Gefühlen. Dieser Stadt ist es nämlich völlig egal, ob ich da bin oder nicht. Es wird eines Tages ganz einfach ein Neuankömmling oder ein bereits Angekommener mit meiner süßen Wohnung hier bereichert und ich bin weg. Wer gerne nachvollziehen möchte, wie und für was mein Herz schlägt, macht eine Woche Urlaub in Baden-Baden oder er bucht ein Wochenende in einer romantischen Ecke in Paris.
Ich mag meine Wohnung hier als mein gemütliches Zuhause. Und ich mag auch, dass ich die Stadt nicht mag und mich so voll und ganz auf mich, einige wenige Kontakte und vor allem meine Karriere und Zukunftsplanung konzentrieren kann. Um täglich glücklich von A nach B zu kommen, schwelge ich in meinen Erinnerungen an andere Städte, während ich über den Boden hier flaniere. Ja, genau, ich flaniere. Gerne in hohen Schuhen, seltener in Ballerinas und niemals in Segelschuhen oder Sportschuhe, die so typisch für hier sind. Mein russisch- und tussig-inspiriertes Schuhwerk läuft also auf dem Asphalt einer sportiven westdeutschen Stadt und meine Gedanken hängen woanders.
Über Paris sage ich, dass ich eine Fernbeziehung mit dieser Stadt führe. London als Stadt ist meine Affäre. Moskau ist im Winter wunderschön. Meine Freundin wohnt in Baden. Während ich also an all diese wundervollen Städte denke, sage ich mir, ganz erwachsen, dass ich hier reifen und das Gute mitnehmen kann.
Ich bin eigentlich schon gar nicht mehr richtig da
Ein Problem gibt es aber: Ich lasse mich hier nicht mehr ein. Ich habe es eine längere Zeit versucht, aber dann verworfen. Mein zweiter Fuß – metaphorisch gesprochen – steht nicht mehr auf diesem Boden. Er steht mittlerweile wieder in meiner blumigen Vergangenheit, in Städten meiner Alltagsfluchten, oder auch bereits in meiner rosigen Zukunft, die ganz woanders sein wird.
Mein Lächeln ist trotzdem echt, denn es ist für die Menschen hier, die so gar nichts dafür können, dass ich mich wie ein Englishman in New York fühle. Ein Alien, der die falschen Schuhe trägt. Ein sonnenverwöhntes Geschöpf, das vom warmen Regen in die Traufe kam. Aber mein anderer Fuß, mein Herz, die fehlen eben leider und so quieke ich vergnügt, wenn ich an jedem einzelnen Abend weiß, dass wieder ein Tag weniger bleibt, den ich hier sein werde.
Wie gehen wir damit am besten um?
Denkt ihr eigentlich, dass wir uns mit einem Platz oder Menschen aussöhnen, wenn wir wissen, dass eine Situation bald der Vergangenheit angehört? Wie können wir uns eine Zeit an einem Ort noch gefühlt verkürzen, indem wir was genau sinnvoll damit anstellen? Ob ich je bereuen werde, diese Stadt in Monaten oder in einem Jahr verlassen zu haben?
Die Kündigungsfrist meiner Wohnung beträgt eine einzige Woche und das allein ist für mich ein Grund noch gut bleiben zu können. Allein das Wissen um die Freiheit, dass ich quasi von heute auf morgen gehen könnte, macht mich so zufrieden, dass ich noch nicht gegangen bin. Und vielleicht ist genau das die Kunst? Danke Düsseldorf
Text und Foto: PetissaPan (Dieser Text erschien auch bei Edition F, wo ich als Gastautorin schreibe.)